Wanderfalken sind brutplatztreu und leben (meist bedingt durch die Attraktivität des Brutplatzes) monogam, bleiben also häufig über Jahre hinweg mit dem selben Partner zusammen. Gebrütet wird ab einem Alter von zwei bis drei Jahren und meist nur einmal im Jahr, Nachgelege sind jedoch möglich.
Balzflüge und Geschenke für das Weibchen
Häufig verteidigt das Weibchen über den Winter den Brutplatz und das Revier, der Terzel streift weiter weg. Die eigentliche Balz des Wanderfalken beginnt in Mitteleuropa meist ab Februar, jedoch kann schon zum Ende des Jahres Balzverhalten wie Füttern und Muldenscharren beobachtet werden. Vor Brutbeginn erfolgen die typischen Balzflüge – Sturzflüge mit spielerischen Verfolgungsszenen und gegenseitigem Umkreisen und Verhaken. Zur Balz gehören auch die Balzgeschenke zur Festigung der Beziehung: Der Terzel beschenkt das Weibchen mit Beute, zum Teil in der Luft. Solch eine Beuteübergabe am Brutplatz signalisiert, dass der Brutplatz angenommen wurde. Etwa ab Februar baut das Weibchen eine zunehmende Bindung an den Brutplatz auf, verlässt ihn immer seltener und wird vom Terzel mit Beute versorgt. Die Kopulationen finden am Ende der Balzzeit statt, häufig in der Woche vor der Eiablage.
Wann schlüpfen die Küken?
Im Laufe des März (gelegentlich auch schon ab Ende Februar) werden 2-4 Eier in einem zeitlichen Abstand von 2-3 Tagen gelegt. Ab dem zweiten oder dritten Ei wird das Gelege intensiver und durchgehend bebrütet. Inwieweit der Terzel sich auch an der Brut beteiligt, ist von Paar zu Paar sehr verschieden. Beide Altvögel halten sich zur Brutzeit im Revier auf, einer ist mit nur kurzen Unterbrechungen auf dem Gelege, der andere ist bei der Jagd, beim Rupfen der Beute oder sitzt in Sichtweite des Brutplatzes. Manche Wanderfalken fressen direkt am Horst. Unsere "Burgfalken" haben verschiedene Rupfkanzeln, also viele Ausweichmöglichkeiten, in unmittelbarer Umgebung und fressen bevorzugt außer Haus auf hohen Sitzwarten. Nach einer Brutzeit von über einem Monat schlüpfen die Jungvögel, die ein schneeweißes und flauschiges erstes Dunenkleid tragen.
Ready for take off?
Die Jungvögel bleiben in etwa ab dem Schlupf des ersten Kükens 40 Tage im bzw. am Brutplatz. Zwischen Mitte Mai und Anfang Juni ist es soweit: sie verlassen den Horst und fliegen aus. In der nun folgenden etwa 6-wöchigen Bettelflugperiode halten sich die Jungvögel noch für längere Zeit in der Nähe des Brutplatzes auf und werden von ihren Eltern mit Beute versorgt. Allerdings müssen sie währenddessen auch ihre Flugfähigkeiten und das Beuteschlagen trainieren. Der Wanderfalken-Familienverband löst sich ab August auf. Das hängt vom Zeitpunkt des Durchmauserns (vom Jugendkleid zum Alterskleid) ab. Sobald ein Jungvogel die Querbänderung der Altvögel aufzeigt, wird dieser aus dem Revier vertrieben.
Hier können Sie eine Film-Zusammenfassung der Brutsaison 2021 sehen.
Am Ende der Bettelflugphase lockert sich die Bindung der Altvögel zu ihrem Brutplatz und die Jungvögel machen sich auf in ihren ersten Zug. Mitteleuropäische Wanderfalken führt dieser meistens bis nach (Süd-) Westeuropa. Adulte Tiere sind Standvögel - sie bleiben ganzjährig in einem Gebiet und machen keine größeren Wanderungen durch.
Die Nestlinge werden unter die Fittiche genommen
Nun folgt die rund 40-tägige Nestlingszeit (Wanderfalkenjunge sind Nesthocker). In der ersten Woche der Jungenaufzucht übernimmt der Terzel die Jagd und bringt die Beute zum Horst. Das Weibchen hudert* und kümmert sich um die Fütterung. Nach etwa einer Woche, wenn der Wärmehaushalt der Jungvögel stabiler ist, tragen dann beide Altvögel Beute herbei.
*Hudern bedeutet in der Vogelkunde, dass die Brutvögel ihren Nachwuchs unter den Flügeln aufnehmen und ihn vor Witterungseinflüssen wie Kälte schützen. Hierzu gibt es auch die Redewendung "Jemanden unter seine Fittiche nehmen", was so viel bedeutet wie sich jemandes annehmen, sich um jemanden kümmern.
Kleidertausch und Kinderstube
Bereits zwei Wochen nach dem Schlupf tragen die Jungvögel ihr watteartiges zweites Dunenkleid, das oberseits grauweiß und unterseits weißlich ist. Ab diesem Zeitpunkt werden die Jungen nach und nach selbstständiger: sie zerlegen kleine Beutetiere selbst und entreißen die Beute den Altvögeln. Nach fünf Wochen haben die Jungvögel ihr zweites Dunenkleid weitgehend in ihr braunes Jugendkleid gewechselt und üben sich im Flattern, Greifen und Beuteannehmen.