Kaiser Heinrich II., genannt der Heilige, war einst von seiner Burg zu Nürnberg aus in den Wald geritten, um zu jagen. Sein Gaul rannte einer Hirschkuh nach, doch plötzlich sprang das Pferd zurück. Ein Baum, der vom Blitz getroffen war, hatte es erschreckt. Dieser Baum aber stand hart an einem tiefen Abgrund.
Kaiser Heinrich stieg vom Pferd. Da sah er, daß er beinahe in eine schreckliche Schlucht hinuntergestürzt wäre. Dankbar und frohgemut brach er von jener Linde, die ihn eigentlich gerettet hatte, ein Zweiglein ab. Dann stieg er leichten Herzens auf sein Roß und ritt dem Nürnberger Schlosse zu.
Seine Gemahlin hatte schon lange und sehnsüchtig auf ihn gewartet. Als sie das Gebell der Hunde hörte, eilte sie die Treppe hinab und lief dem geliebten Mann entgegen. Besorgt fragte sie ihn: "Warum kommst du heute so spät nach Hause?" Da erzählte ihr der Kaiser die Geschichte von der wunderbaren Rettung.
Mit Freuden nahm da die Kaiserin das Zweiglein, ging in den Burghof und pflanzte es dort ein. Weil aber die edle Frau Kunigunde hieß, wurde die Linde, die an dieser Stelle bald herrlich emporwuchs, die Kunigundenlinde genannt.
Originaltext in "Alt-Nürnberg" von F. Bauer, J. Lindauer Verlag, München